Konjunkturpakete sind geschnürt, Hilfen angekündigt: Auch Stadtwerke haben stark unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu leiden. Das Verhalten der Verbraucher verändert sich, Schwachstellen in den eigenen Prozessen wurden durch den unumgänglichen Lockdown von Betriebsstätten und Kundenzentren deutlich.

Kurzarbeit – das war für viele Führungsetagen in deutschen Stadtwerken ein Fremdwort und doch ist es in der Corona-Krise eingetreten. Systemrelevanz hin oder her, in bestimmten Bereichen hat sich gezeigt, dass auch Stadtwerke feststellen konnten, dass der Kunde gerade einen großen Bogen um die Serviceangebote und Dienstleistungen macht. Viel zu häufig verfällt die Branche dann in typische Reflexe wie etwa dem Aussetzen von Vertriebsaktivitäten. Zum einen verständlich, weil ja Kontaktmöglichkeiten vollständig eingeschränkt waren. Andererseits aber auch unverständlich, weil kaum ein regionaler Versorger über digitale Vertriebsoptionen verfügt und somit im Wettbewerb hoffnungslos unterlegen ist. Man kann also von Glück reden, wenn sich Kunden in der Corona-Krise mit anderen Dingen beschäftigt haben als mit dem Angebot ihrer Stadtwerke. Doch es droht eine zweite Welle, die die Stadtwerke in einem härteren Ausmaß trifft als die erste.

Digitalisierung als Antwort auf verändertes Kundenverhalten

Der Rückzug der Kunden in die häusliche Sicherheit, der Wechsel vom Büro ins (eventuell dauerhafte) Homeoffice wird für ein verändertes Kundenverhalten sorgen, dass sich schon vor Corona angedeutet hat, aber durch die Zeit des Lockdowns noch rasant beschleunigt hat. Der Kunde verlagert seinen Konsum mehr und mehr ins Internet. Und dabei ist hier gar nicht entscheidend, ob das Produkt sofort online verfügbar ist – entscheidend ist, wie digital und nutzerfreundlich der Weg zum Produkt künftig ist. In Zeiten, in denen das Smartphone der tägliche Begleiter beinahe jedes Kunden ist, wird es – durch Corona mehr denn je – von entscheidender Bedeutung sein, auf diesem ersten „Touchpoint“ des Kunden präsent und relevant zu sein. Und das im gesamten Prozess, den Marketingleute unter der AIDA-Formel zusammenfassen: Attention (Aufmerksamkeit), Interest (Interesse), Desire (Verlangen) und Action (Handlung). Es reicht nicht nur, fertige Dienstleistungen und Produkte online anbieten zu können, „der Wurm muss auch dem Fisch schmecken“. Martin Plendl von der Lübecker Agentur „make better“ hat im Firmenblog beschrieben, was auf Stadtwerke zukommt: „Die neuen Geschäftsfelder aber können u.a. im Bereich von Glasfaser (und Zusatzprodukten “auf der Leitung” wie TV, Telefon oder Cloud-Speicher) oder im Bereich der Elektromobilität und der breiten Versorgung mit öffentlichen und privaten Ladesäulen nebst vertragsgebundenem Stromprodukt angesiedelt und an die (regionale Zielgruppe) auf digitalen Kanälen kommuniziert werden.“

Sind Stadtwerke aktuell dazu in der Lage? Sind die Kunden in der Corona-Krise zufriedenstellend mit Informationen versorgt worden? Konnten Wechselprozesse, die sonst im Kundenzentrum oder im Door-to-door-Vertrieb abgewickelt wurden, auch digital erfolgreich abgebildet werden? Konnte messbar nachvollzogen werden, dass Kunden mehr denn je die Online-Angebote „ihres“ Stadtwerks genutzt haben?

Schön, wenn wenigstens eine dieser Fragen mit Ja beantwortet werden kann. In den meisten Fällen wird es eher ein Kopfschütteln gegeben haben. Dabei hat eine Studie von Roland Berger aus dem Mai 2020 genau diese Prognose bestätigt: „Das Erreichen der nächsten Stufe in der Digitalisierung der Prozesse (…) ist dafür unabdinglich. Gerade in Zeiten mit und nach dem Coronavirus erleichtert sie die Zusammenarbeit mit Kunden und von Mitarbeitern beträchtlich.“ Was muss also passieren? Auch dazu gibt es einen interessanten Gastbeitrag in der (Zeitung der kommunalen Wirtschaft (ZfK) von Patric Weiler von der Agentur Blue Field: „Die Zeiten, in denen es ausreichend ist, reine Energiedienstleistungen anzubieten, gehören nicht erst seit gestern der Vergangenheit an. Unabhängig von Alter, Wohnort, Milieu und persönlichen Interessen, erwarten heutzutage Kundengruppen jeglicher Couleur, die maßgeschneiderte Anpassung von Service- und Produktleistungen.“ Weiler empfiehlt vier Bausteine für eine digitale Strategie

  • Digitalisierung des Vertriebs
  • Digitalisierung der Kommunikation
  • Kundenanalyse und Personalisierung
  • Entwicklung einer Mehrwertangebotsstruktur

In der aufkommenden Hektik wird oft vergessen, dass mit Aktionismus kein Blumentopf zu gewinnen ist. Stadtwerke können immer noch mit Regionalität, Seriosität, Service und einem breiten Angebot der Daseinsvorsorge punkten. Corona sollte aber ein Weckruf an alle sein, spätestens jetzt die Zeichen der Zeit zu erkennen.