Alle sind auf dem Weg, ohne Frage. Unternehmen in Deutschland bemühen sich, insbesondere unter dem Eindruck der Corona-Pandemie, Prozesse und Dienstleistungen zu digitalisieren, um den Kunden auch dort zu begeistern, wo er sich gerade befindet. Die viel beschworene Customer Journey. Ein persönliches Beispiel zeigt, dass diese Journey immer dann mehr Fragen als Antworten produziert, wenn sie nicht von Anfang bis Ende durchdacht ist.
Als onlineaffiner Verbraucher durchstöbere ich die Internetseiten einer großen Baumarktkette auf der Suche nach Mauersteinen für den heimischen Garten. Tatsächlich werde ich fündig: Mauerstein „Antik“, Farbe Basalt – der soll es sein. Der Baumarkt bietet mir einen Onlinekauf der Mauersteine an, was ich aber angesichts von 95 Euro Versandkosten dankend ablehne. Stattdessen wird mir die Verfügbarkeitsprüfung in den Baumärkten in meiner Umgebung angeboten. Okay, der Markt gleich um die Ecke hat die Mauersteine nicht, aber nicht weit weg sind die Steine noch in ausreichender Zahl und Farbe verfügbar. Ruckzuck sind 50 Mauersteine reserviert, ich organisiere mir einen Transport. Die Baumarktkette schickt mir blitzschnell eine Bestätigung meiner Reservierung. Freitags bestellt, verfügbar ab Samstagmittag, bis Dienstag reserviert. Ich bin begeistert. Bis jetzt.
Montag, Anruf im Baumarkt: Bewaffnet mit Auftragsnummer hoffe ich auf eine telefonische Bestätigung, dass die Steine tatsächlich vor Ort abholbereit sind. Ganz so, wie es mir online zugesagt wurde. Am anderen Ende der Telefonleitung höre ich förmlich die Fragezeichen. Onlinebestellung? „Da weiß ich nichts drüber. Ich stelle mal durch zum Kollegen im Außenbereich.“ Tut-tut-tut-tuuuut. Ich fliege aus der Leitung. Beim zweiten Versuch ertönt das Besetztzeichen. Ich denke mir: nutzt du halt die gute alte Emailadresse, die dir als Kontakt mitgeteilt wurde. Mit einer schnellen Antwort rechne ich allerdings nicht. In Corona-Zeiten habe ich dafür sogar Verständnis
Ohne Antwort setze ich mich am Nachmittag in den Bulli Richtung Baumarkt. Im Baumarkt das gleiche Spiel. Online-Reservierung? Keine Ahnung. Der Kollege draußen kann sicher weiterhelfen (wieso kann eigentlich niemand im Rechner nachschauen, ob meine Bestellung abholbereit am Lager liegt?). Während ich im Außenlager warte, kommt eine Email rein vom örtlichen Baumarkt: „Ihre Steine stehen zur Abholung bereit.“ Holla, da hab ich ja Glück gehabt. War der Weg doch nicht umsonst. Aber wieder frage ich mich: Wieso sagt mir der Baumarkt online zu, dass die Steine schon ab Samstagmittag zur Verfügung stehen, wenn der örtliche Markt das erst am Montagnachmittag gewährleisten kann? Gibt es da keine interne Kommunikation? Kein Tracking, wie man es beispielsweise von der Sendungsverfolgung der Post kennt? Immerhin, der Kollege draußen findet meine kleine Palette und schickt mich schon mal zum Bezahlen zurück an die Kasse. Onlinebestellung? Ui, haben Sie eine Rechnung dazu? Nö. Eine Auftragsnummer? Nö. Nur die Reservierungsbestätigung. Die Steine stehen also abholbereit am Lager, der Markt kann es mir per Mail bestätigen. das Ausstellen einer Rechnung haben aber all diese Informationen im System nicht ausgelöst. Also wird anhand der Artikelnummer der ganze Vorgang händisch eingegeben und abgerechnet.
Was mir dieses Erlebnis gezeigt hat: Es wird erst dann ein tolles Kundenerlebnis, wenn der Anbieter seine Prozesse bis zum Ende durchgeplant hat. Die Begeisterung bei der Online-Reservierung wich schnell dem Frust bei der Abholung vor Ort. Würde ich es weiterempfehlen? Eher nicht. Und das ist sicherlich nicht die Schuld der Mitarbeiter vor Ort. Die Systeme der Baumarktkette sind einfach nicht zu Ende gedacht.
Dabei bietet gerade das Feld der Warenabholung, insbesondere von schweren oder sperrigen Gütern ein großes Potenzial für ein positives Kundenerlebnis mit Potenzial zur festen Kundenbindung. Schließlich plant der Kunde seine Zeiteinteilung anhand seines Projektes, kümmert sich selbstständig um den Transport und die Abholung. Wenn dann vorne etwas versprochen wird, was am Ende nicht eingehalten werden kann, bleibt nur die alte Weisheit: „Wenn sie einen Sch…prozess digitalisieren, dann haben sie einen sch… digitalen Prozess.“
P.S.: Natürlich habe ich die Mauersteine selbst in den Bulli eingeladen. Den Prozess hat noch niemand digitalisiert.